Am 15. September 2015 referierte der Diplom-Soziologe Frank Tillmann über die "Attraktivität des dualen Ausbildungssystems aus Sicht von Jugendlichen" im Ganderkeseer Rathaus.

NWZ 2015 09 16 Frank TillmannBild: Claudia Voß, NWZ

 

Anschließend gab er Claudia Voß von der NWZ ein Interview:

Frage: Herr Tillmann, was sind eigentlich duale Ausbildungen?

Tillmann: Bei dualen Ausbildungen handelt es sich um vollqualifizierende Ausbildungen, die in einem Betrieb abgeleistet werden. Das in den Berufsschulen vermittelte Wissen kann in den Betrieben gleich angewendet werden.

Frage: An wen wenden sich duale Ausbildungen?

Tillmann: In erster Linie an Nicht-Abiturienten. Allerdings erfolgt die Berufsorientierung bei Haupt- und Realschülern oftmals nicht optimal.

Frage: Inwiefern?

Tillmann: Bei vielen Jugendlichen kommt die berufliche Orientierung zu früh. Während Ausbildungen in Gymnasien keine Rolle spielen, werden in den übrigen Schulformen oft bereits Siebtklässler in eine Berufsorientierung gedrängt. Aber in diesem Alter spielen Beruf und Karriere keine Rolle.

Frage: Wann sollte eine berufliche Orientierung erfolgen?

Tillmann: Jugendliche in der neunten und zehnten Klasse interessieren sich von selbst für ihre berufliche Zukunft. Hier ist eine Berufsorientierung angebracht und sinnvoll. Grundsätzlich gilt, je später die Entscheidung für einen Beruf getroffen wird, desto autonomer wird sie von den Jugendlichen getroffen. Gerade wenn die Ausbildung selbst gewählt wird und nicht Entscheidung der Eltern ist, wird sie von den Jugendlichen viel motivierter angegangen und die Abbrecherquoten sind geringer.

Frage: Können auch Unternehmen etwas tun, um ihre Ausbildungsplätze attraktiver zu machen?

Tillmann: Natürlich, Faktoren wie die Qualität der betrieblichen Ausbildung sowie Arbeitsbedingungen und Bezahlung spielen eine große Rolle in der Entscheidung für einen Ausbildungsplatz. Auch die Rekrutierungspraxis ist entscheidend. Gerade in den sozialen Netzwerken spricht es sich unter den Jugendlichen schnell herum, wenn Bewerbungen aufgrund von Nationalitäten von vornherein abgelehnt werden. Hilfreich wäre auch, wenn die Ausbildungsmöglichkeiten transparenter gemacht würden. Viele Jugendlichen wissen oft nicht, wo eine Ausbildung möglich ist. Da müssten Unternehmen oft mehr für sich werben.

Quelle: NWZ-Online vom 16. September 2015